Entwicklung von Modellsystemen zur computergestützten Untersuchung von Phasengrenzen, Kompositmaterialen und Molekülen
In der Gruppe werden Reaktionen und Strukturbildung an Phasengrenzen und die Dynamik dieser Prozesse untersucht. Dabei verfolgen wir den Ansatz die komplexen Fragestellungen in Modellsystemen zu vereinfachen, um die verschiedenen Einflussfaktoren der Prozesse auf molekularer Ebene getrennt voneinander analysieren zu können. Wir nutzen hierbei ab initio Simulationsprogramme, um detaillierte Informationen über die quantenchemischen und thermodynamischen Eigenschaften der Moleküle und Strukturen zu erhalten. Anderseits erfordert das Zusammenspiel verschiedener Komponenten an einer Phasengrenze auch eine Beschreibung über eine gewisse zeitliche und räumliche Größenskala, wodurch wir zusätzlich atomistische Kraftfeldmodelle auf Basis quantenchemischer Programme verwenden.
Um die theoretischen Erkenntnisse zu validieren kommen experimentell speziell entwickelte Apparaturen und den anspruchsvollen reaktiven Bedingungen angepasste Verfahren zum Einsatz. Ziel ist ein besseres Verständnis der Dynamik, Reaktionen und Transportphänomene in Molekülen, Nanoteilchen und Grenzflächen.
Theoretische Untersuchungen komplexer Grenzflächen und deren Einfluss auf das Kristallwachstum
In Zusammenarbeit mit der Industrie und weiteren Gruppen der naturwissenschaftlichen Fakultät simulieren wir die Grenzflächen verschiedener Bestandteile von Kompositmaterialien, z.B. Polymersysteme an SiO2- und Kohlenstoff-Grenzflächen, die Stabilisierung von ZnO-Nanopartikeln durch Liganden oder die Oberflächenspannungen verschiedener Perowskite. Dafür werden besonders auf ab initio Methoden (Gaussian und ADF) zurückgegriffen. Aus den computerchemischen Rechnungen lassen sich thermodynamische Eigenschaften bestimmen, die Auskunft über die mechanische Stabilität der elastischen Materialien geben.
Die Oberflächenspannung während der Krsitallwachstumsphase hat einen starken Einfluss auf die Kristallmorphologie der Partikel. Sie kann durch den Einsatz verschiedener Liganden oder die Sättigung der Präkursoren beeinflusst werden, zum Beispiel bei der Synthese von Zinkoxid-Nanopartikeln oder der Synthese von MAPbBr3-Partikeln aus einem Aerosol. Erkenntnisse aus Simulationen über die Wechselwirkungen zwischen den Liganden und den Nanopartikel sowie der Oberflächenspannung verschiedener Kristallfacetten unterstützen experimentelle Arbeiten anderer Gruppen, wodurch Rückschlüsse auf das Kristallwachstum ermöglicht werden.
Theoretische und praktische Untersuchungen zur elektrochemischen Synthese von metallischen Nanopartikeln in organischen Medien
Elektrochemische Eigenschaften sind sowohl experimentell als auch über ab-initio Methoden zugänglich. So lassen sich Redoxpotentiale bspw. im Labor mit der Cyclovoltametrie bestimmen und anschließend mit Ergebnissen von quantenchemischen Simulationen vergleichen. Dabei sind insbesondere die Solvatationseffekte interessant, die eine Vielzahl der molekularen Eigenschaften beeinflussen.
Diese Effekte sind gerade an den Phasengrenzen wie an der Oberfläche von Nanopartikeln oder Elektrodenoberflächen von besonderer Bedeutung. Die Rolle von Lösungsmitteln, Linkern oder Stabilisatoren kann durch die Kombination von statistisch-thermodynamischen Ansätzen und ab-initio Dynamiken abgebildet werden.
Experimentell wird besonders die elektrochemische Synthese von Übergangsmetallnanopartikeln in organischen Medien untersucht. Die dabei eingesetzten organischen Leitsalze sind sterisch anspruchsvoll und verhindern ein Abscheiden der an der Opferanode in situ gebildeten Übergangsmetallspezies an der Arbeitselektrode. Die für den Massentransport zuständigen Spezies werden mittels UV-Vis-Spektroskopie, IR- und Raman-Spektroskopie sowie Cyclovoltamerie charakterisiert. Die schlussendlich gebildeten stabielen Kolloide werden schwingungsspektroskopisch und mittels Elektronenspektroskopie untersucht. Weitere elektrochemische Analysen mittels Cyclovoltametrie, Leitfähigkeit, Impedanz und rotierenden Scheibenelektroden erweitern zusammen mit ab initio Untersuchungen das Verständnis der ablaufenden Prozesse.
Unter Verwendung magnetischer Metalle wie Cobalt werden zusätzlich magnetische Eigenschaften auch in situ untersucht. Entsprechende Untersuchungen werden unter Inertgasatmosphäre durchgeführt.
Experimentelle Beobachtung von reaktiven Benetzungseffekten von komplexen Germaniumoxid- und Siliziumoxid-Grenzflächen
Wir untersuchen Hochtemperaturreaktionen im Hochvakuum, den Transport von Gasreaktionsprodukten in die Umgebung und ihre anschließende Beteiligung an der Bildung fester Strukturen mit neuer Morphologie und neuen Eigenschaften. Ein Beispiel für solche Strukturen sind komplexe Germanium/Germaniumoxid-Mikronadeln. Eines der Hauptmerkmale unserer Forschungsmethode ist, dass die gesamte Reaktion-Transport-Strukturbildungskette in einem isolierten Mikroreaktor mit einem Volumen von nur wenigen Kubikmillimetern stattfindet. Der große Vorteil eines so kleinen Reaktionsraums besteht darin, dass das gesamte verfügbare Volumen während des gesamten Prozesses kontrolliert und beobachtet werden kann sowie dass eine minimale Menge von Produkten (im Sub-Milligramm-Bereich) verwendet wird, was wiederum die Reinheit des Experiments erheblich erhöht.
Die anspruchsvollen, reaktiven Bedingungen sind experimentell eine Herausforderung. Daher werden neue Messapparaturen entwickelt und gebaut, um In Situ analytische Methoden wie beispielsweise die Hochtemperatur-Video-Mikroskopie im sichtbaren und im nahen infraroten Spektralbereich an diese Bedingungen adaptieren zu können.
Ex Situ verwenden wir Elektronenmikroskopie und Rasterkraftmikroskopie, um die Topographie der erzeugten Proben zu visualisieren und zu vermessen. In Zusammenarbeit mit weiteren Gruppen aus der naturwissenschaftlichen Fakultät und dem Maschinenbau stehen weitere Untersuchungsmethoden zur Verfügung, z. B. um die chemische Zusammensetzung von Oberflächen und Grenzschichten aufzuklären.
Wir züchten auch mikroskopische GeO2-Würfel bei Raumtemperatur in Tröpfchen mit einem Volumen von nur einigen zehn Mikrolitern. Dadurch kann das gesamte Volumen, in dem die Reaktion abläuft, und somit das Wachstum der Kristalle In Situ mithilfe der Video-Mikroskopie beobachtet werden, wofür auch Phasenkontrast- und Fluoreszenzmikroskope verwendet werden. Die Reaktion im Tropfen kann auch unmittelbar mit einem Infrarotspektrometer analysiert werden. Ex Situ verwenden wir Licht- und Elektronenmikroskopie. Durch die Zusammenarbeit mit weiteren Arbeitsgruppen stehen z.B. EDXS und Raman-Spektroskopie zur Verfügung.
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